Der Traum von der NFL

Offenbacher Football-Talent bei Sichtungsveranstaltung von amerikanischer Profiliga

Am 19. und 20. Oktober fand erstmals in Deutschland der „NFL International Combine“ statt. In der Sportschule in Hennef durften dann Talente aus der ganzen Welt ihr Können unter Beweis stellen. In einer Reihe von Übungen testete man dort ihre Geschwindigkeit, Beschleunigung und Kraft . Unter den Teilnehmern waren auch fünf Deutsche, einer davon war Kai Wullbrandt. 

Rasanter Aufstieg

Der 25 Jährige begann erst vor zwei Jahren mit der Sportart „American Football“. Davor strebte er eine Karriere als Handballtorwart an, doch 2017 ergriff ihn das Fieber vom American Football und er startete seinen rasanten Aufstieg beim damaligen Fünftligisten Rhein-Main Rockets.Er erfuhr durch Freunde, dass es jetzt auch in Offenbach eine American Football Mannschaft gibt und nahm dort an einem Probetraining teil. Per Zufall landete Kai dann auf der Offensive Line, welche dafür zuständig ist, den Quarterback, also den Spielmacher der Offensive, zu beschützen und diesem Zeit zu Beginn des Spielzuges zu geben. Eigentlich wollte er erst selbst die Position des Spielmachers einnehmen, doch seine große und breite Statur bei 201 Zentimeter machte ihn zum idealen „O-Liner“, wie man diese im Fachjargon bezeichnet. Auf dieser Position stellte er von Beginn an ein besonderes Talent unter Beweis. Gleich in ihrer ersten Saison stiegen die „Rockets“ auf. Der gebürtige Offenbacher, der immer noch ein gutes Verhältnis zu seinem Ex-Klub pflegt, wechselte aber im darauffolgenden Jahr zum Erstligisten Frankfurt Universe, mit denen er bereits 2018 im „German Bowl“ stand. Dort unterlagen die Frankfurter knapp den Schwäbisch Hall Unicorns. Eine Atmosphäre die er nie vergessen wird „16 000 Zuschauer mit einer tollen Stimmung. Allein die Fahrt und der Aufenthalt in Berlin war mega“, erinnert sich Kai. 

Kai blickt stolz auf seine bisherigen Erfolge bei der Universe aus Frankfurt zurück.
Kai blickt stolz auf seine bisherigen Erfolge bei der Universe aus Frankfurt zurück.

In der Saison 2019 schaffte es Frankfurt Universe wieder bis ins Halbfinale, da gaben sie sich dann gegen den späteren „German Bowl“ Sieger „New Yorker Lions“ aus Braunschweig geschlagen. Nach dem Halbfinalaus war aber für Wullbrandt noch nicht Schluss mit Football. Anfang September erhielt Kai einen Anruf , der seine Karriere nochmal in eine andere Richtung lenken sollte. Nach mehreren Gesprächen kam dann Ende September die offizielle Einladung zum „NFL International Combine“ in Hennef. Ein Event, welches sein Leben verändern könnte. Doch viel Zeit zum Trainieren hatte Kai nicht, da das Event schon drei Wochen später stattfand. Dafür musste sich Kai dann noch etwas vorbereiten, Essen stand ganz oben auf seinem Tagesplan, denn mit seinen 126 Kilogramm gilt er auf seiner Position als leicht. Zwei Jahre zuvor, als er anfing Football zu spielen, wog er nur 103 Kilo. Zum Vergleich Kais Vorbild in der „NFL“ Ronnie Stanley von den Baltimore Ravens wiegt 17 Kilogramm mehr, obwohl Kai zwei Zentimeter größer ist. Wichtig war es dabei für Kai, nicht an Explosivität oder Schnelligkeit zu verlieren und dabei trotzdem an Kraft zuzulegen, denn genau solche Fähigkeiten verlangten die Talentsucher beim „NFL International Combine“ dann von ihm ab.

Was ist der „NFL International Combine“?

Der „NFL International Combine“ wird von der Nordamerikanischen Profiliga der „National Football League“ kurz „NFL“ ausgerichtet und findet jedes Jahr in einem anderen Land statt. Dieses Jahr zum ersten Mal in Deutschland. Bei dem „Combine“ geht es darum, in verschiedenen Aufgaben Athletik und Kraft unter Beweis zu stellen aber auch das footballerische Können wird in einer Reihe von Übungen getestet. Am Ende des „Combines“ entscheiden dann Talentsucher und Trainer aus Amerika, wer durch die Darstellung seiner Fähigkeiten einen Platz im „NFL Pathway Program“ verdient hat. In diesem Programm dürfen dann fünf ausgewählte Spieler aus der ganzen Welt monatelang in Florida trainieren, um dann in Amerika ihr neuerworbenes Können und Wissen wieder in einem „Combine“ vor Talentsuchern der 32 Teams aus der „NFL“ zu zeigen. Wenn man einen der Teamscouts beeindruckt, besteht die Chance, einen Profivertrag zu erhalten. Von dem „NFL Pathway Program“ profitierten unter anderem bereits Moritz Böhringer (Cincinnati Bengals), Christopher Ezeala (Baltimore Ravens) und Jakob Johnson, der bei den New England Patriots spielt. Alles einst „GFL“ (German Football League) Spieler, welche durch den Combine und das Trainingslager in Amerika den Sprung in die „NFL“ schafften. Ein Traum, den auch Kai Wullbrandt hat. 

Kai übt mit seinem Trainer an Feinheiten seiner Technik.

Trotz anfänglichen Schwierigkeiten überzeugt 

Am 19. Oktober war es für Kai dann so weit und er konnte seine Begabung in der Sportschule in Hennef präsentieren. Mit dabei waren noch 25 andere Footballspieler mit dem gleichen Traum wie Kai, darunter noch vier weitere deutsche. Für Kais Positionsgruppe der „Offensive Lineman“ war der frühere „NFL“ Spieler LeCharles Bentley zuständig, der es während seiner Zeit als Profi zweimal in eine Auswahl der besten Spieler der Liga schaffte. Ein ganz besonderes Gefühl für Kai, von einer solchen Legende Verbesserungsvorschläge und Lob zu erhalten. Nach dem Aufwärmen ging es auch schon los mit der ersten Disziplin „Bankdrücken“, ein reiner Krafttest, bei dem  eine 102,5 Kilogramm schwere Langhantel so oft wie möglich gedrückt werden muss. Für Wullbrandt eigentlich kein Problem – er hoffte auf etwa 20 Versuche zu kommen – doch nach dem vierten Versuch rutschte ihm die Schulter von der Bank und er schaffte es nur auf acht Versuche. Nach dem enttäuschenden Start glänzte er beim Hochsprung aus dem Stand mit seiner Explosivität. Auch beim „40 Yard Dash“, bei dem 40 „yards“ (etwa 37 Meter) auf gerader Bahn gesprintet werden müssen, machte Kai laut persönlicher Einschätzung einen guten Eindruck. Zum Schluss des athletischen Tests kam noch der sogenannte „3 cone drill“. Beim „3 cone drill“werden, wie der Name verrät, drei Hütchen in eine „L“ Form aufgestellt und diese muss dann so schnell wie möglich abgelaufen werden. Dieser Test soll zeigen, wie schnell ein Spieler beschleunigen kann. Auch hier bewies der zwei Meter große Kai Wullbrandt, dass er schnelle Füße hat. Anschließend wurden die Spieler in ihre individuellen Positionsgruppen aufgeteilt und machten dort Übungen, die Kai auch schon aus dem Training bekannt waren. Diese Übungen zeigen, wie gut die jeweiligen Spieler die positionsspezifischen Techniken beherrschen. Auch hier stach Kai heraus und wurde vom Trainer LeCharles Barkley mehrmals gelobt. Ein „besonderer Moment“ für Kai.

In einem solchen „Dreipunktstand“ stehen die Offensive
Linemen bevor der Spielzug beginnt.

Wie geht es jetzt weiter?

 Nach dem Training wurde Kai mitgeteilt, dass er zum Kreis der engeren Auswahl gehöre. Heute wartet Kai immer noch auf eine Antwort, diese könnte auch noch etwas auf sich warten lassen, da die Entscheidung, welche Spieler mit nach Florida dürfen, für die Verantwortlichen eine große Investition ist und diese sicher gehen möchten, auch die geeigneten Spieler für das „Pathway Program“ auszuwählen. Der Traum von der „NFL“ lebt also noch. Und Kai ist schon ganz heiß „Jeden Tag zwölf Stunden Training und das sechsmal die Woche für drei Monate, wer möchte das nicht?“, antwortete Kai auf die Frage, was eine Einladung nach Florida für ihn bedeuten würde. Und mit etwas Glück steht er vielleicht schon bald neben seinen Idolen auf dem Feld, die er zuvor nur aus dem Fernsehen kannte. Zu seiner Footballkarriere würde es aber auf jeden Fall passen. Vom Fünftligisten zur NFL. Eine Erfolgsgeschichte, wie man sie normalerweise nur aus Hollywoodfilmen kennt, doch für Kai Wullbrandt könnte dies bald Realität werden. 

Erstmal durchatmen, nach einer langen Saison und dem Combine wartet Kai nun gespannt auf eine Antwort der NFL-Verantwortlichen und eine neue Herausforderung.

Ein Bericht von Tristan Richter